Das Klacken eines Absatzes ist auf dem Gang zu hören. Pause. Ein weiteres Klacken. Pause. Die Türklinke senkt sich. Ein Stöckelschuh erscheint im Spalt; knarrend schwingt die Türe auf.
„Bonjour“, meint Fatouma. Aber ihre Stimme klingt nicht nach einem guten Tag, sie klingt nach Unbehagen. Weil sie heute auf den Handwerkermarkt Katako muss. Die Wege dort sind unbefestigt und dreckig; der Gestank der offenen Kanalisation ist oft unerträglich.
Fatouma ist Animateurin. In unserem Projekt soll sie Handwerkern bei der Lösung ihrer Probleme helfen. Indem sie motiviert, Denkanstöße gibt und Aktionspläne erarbeitet. Als sie Platz nimmt, sinken die Enden ihres drapierten Rocks langsam zu Boden. Ihre Hände umfassen die Handtasche. „DIOR“ steht in goldenen Lettern auf dem nigerianischen Plagiat.
„Es läuft doch gar nicht so schlecht“, versuche ich ihr Mut zu machen. „Die Verkaufsboutique der Blechverarbeiter ist doch schon aufgebaut“.
„Je sais – ich weiß“, meint Fatouma gelangweilt und zupft eine Haarsträhne zurecht.
„Das ist doch super! Wir müssen jetzt nur noch die Qualität der Werkzeuge verbessern!“. Wie ein Verkäufer stehe ich auf und laufe vor Fatouma auf und ab. Drei Schritte nach links, drei nach rechts, mehr gibt unser stickiges Büro in der nigrischen Handwerkskammer nicht her.
„Schon irgendeine Idee, wie wir das machen können?“ Erwartungsvoll schaue ich sie an.
„Wir müssen ihnen sagen, dass sie ihr Geschick selbst in die Hand nehmen können“, leiert sie ihren auswendig gelernten Text herunter. „Sie müssen nur an sich glauben und beharrlich an Lösungen arbeiten“.
Enttäuscht setze ich mich. Fatouma verkörpert für mich nicht das, was ich mir unter einer Animateurin vorstelle. Die Kleidung: Zu modisch für die Kooperation mit Handwerkern. Ihr Auftreten: Viel zu verhalten, um die gewünschte Dynamik zu entfachen.
„Ich geh dann mal“, meint sie und hält ihre Handtasche wie ein Schutzschild vor sich. Ihre hochhackigen Schuhe klacken auf den Bodenkacheln.
Eine Woche später hat Fatouma Malaria und ich mache einen Krankenbesuch. Weit draußen in Pays Bas wohnt sie. Wellblechdächer bedecken zusammengeschusterte Lehmbauten. Auf den Pisten stapelt sich Abfall; Plastiktüten haben sich in Dornenbüschen verfangen.
In ihrem Zimmer liegen Matten auf gestampften Lehmboden. Ein kleiner Tisch, ein Regal – mehr Mobiliar gibt es nicht. Auf einer Matratze liegt Fatouma und lächelt matt. Das künstliche Haarteil liegt in einer Schale neben ihr. Ohne Schminke sieht sie älter aus.
Sie erzählt, dass sie hier mit vier Freundinnen haust. Mehr könne sie sich nicht leisten, mehr sei einfach nicht drin. Ich weiß nicht wohin mit den mitgebrachten Blumen. Ich weiß nicht, was ich angesichts der Tristesse sagen soll.
Im Auto suche ich nach Ablenkung und lege eine Kassette ein. Tracy Chapman singt von Träumen von einem besseren Leben. „To be someone, to be someone…”, scheppert es aus den Boxen, als ich mich dem Zentrum von Niamey nähere.
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